Titel 360- G r a d-Spe c i a l r a T nsfor m a tion Weitmar hat eine industrielle Ver- gangenheit – Zechen und Stahl- werke haben den Bochumer Stadtteil geprägt. Ausgerechnet hier steht sie, die Energiezentrale der Zukunft, kurz EZZ. 81 Wohneinheiten wird sie mit Strom und Wärme versorgen, klimaneutral und weitgehend energieautark. Die ersten beiden Gebäude sind bereits am Netz. Es ist ein Renommierprojekt von Vonovia, komplett aus Eigenmitteln finanziert, wichtig für die ganze Branche. Weil es Energiekonzepte zeigt, die schon heute möglich sind – und in wenigen Jahren eventuell Standard. Für Tobias Hofmann, Leiter Quartierssysteme bei Vonovia, steht fest: „Schon durch die Erfahrungen, die wir bisher gesammelt haben, hat die EZZ ihren Zweck erfüllt.“ Auch anderswo entwickeln Ingenieure Lö- sungen für Quartiere, die sich zu großen Teilen selbst mit Energie versorgen. Etwa in Freiburg-Dietenbach, wo eine Siedlung für 16.000 Bewohner entstehen soll; auf dem ehemaligen Pfaff-Gelände in Kai- serslautern oder in der Neuen Weststadt Esslingen, die nicht nur fünf Wohnblöcke, sondern auch einen Campus mit Hoch- haus einbezieht. Das Ziel ist Treibhaus- gasneutralität: Wer Strom und Wärme auf Basis erneuerbarer Energien vor Ort erzeugt, sorgt für einen hohen Wirkungs- grad und vermeidet CO2-Emissionen. Am Bedarf und an den Ressourcen vor Ort orientieren Noch gibt es dafür keine Standardlösun- gen. Schon jetzt aber sorgen die Pioniere für einen Innovationsschub, der es denen, die nach ihnen kommen, leichter ma- chen wird. Fotovoltaik, Wärmepumpen, Elek trolyseur, Wasserstoffspeicher und Brennstoffzelle – für diese Kombination hat sich Vonovia im ersten Schritt ent- „Die Immobilien- wirtschaft gewinnt eine neue Rolle als Betreiber von Geschäfts- modellen rund um Energie.“ Jörg Kruhl, Vertriebschef, Ampeers Energy 30 raum und mehr 01/2022 schieden. Grüner Strom deckt dabei nicht nur einen großen Teil des Bedarfs an Elek- trizität, sondern auch an Wärme, indem per Elektrolyseur Wasserstoff erzeugt und gespeichert wird. Eine Brennstoffzelle ver- wandelt ihn später zurück in Strom und Wärme. Dabei muss es nicht bleiben. „Die EZZ funktioniert wie ein Baukasten“, er- klärt Hofmann, „wir können Technologien jederzeit ein- und ausbauen.“ Geother- mie zum Beispiel. Es ist ein Real-Labor, dessen Erkenntnisse Vonovia bei weiteren Modernisierungen nutzen wird – bis 2050 will das größte deutsche Wohnungsunter- nehmen seinen Bestand nahezu klima- neutral gestalten. Anderswo wird Abwärme aus umliegen- der Industrieproduktion verwendet oder, vor allem auf dem Land, Energie aus Wind oder Biomasse. In Städten kann der Anschluss an ein dekarbonisiertes Fern- wärmenetz eine Alternative sein, schließ- lich ist Autarkie kein Wert an sich. „Man muss sich am Bedarf des Quartiers und an den Ressourcen vor Ort orientieren“, sagt Gerhard Stryi-Hipp, Leiter der Forschungs- gruppe Smart Cities am Fraunhofer-Ins- titut für Solare Energiesysteme ISE. „Eine Blaupause gibt es nicht.“ Während die Planer im Neubau die Chan- ce haben, von vornherein alles richtig zu machen, liegt die große Herausforderung im Bestand. Zwar gibt es Bausteine, die sich nach Ansicht von Experten nahezu überall empfehlen: zum Beispiel hohe Ge- bäudeeffizienz, großflächige Fotovoltaik, Wärmepumpen. Die Umrüstung jedoch kann aufwendig sein. Wer etwa bei der Wärmeversorgung auf eine zentrale Lösung umstellt, muss nicht nur eine Ener- giezentrale bauen, sondern auch Leitun- gen verlegen. Ladesäulen für Elektroautos erfordern dicke Stromkabel. „Wichtig ist eine gute Planung, von Anfang an“, sagt Konrad Jerusalem, Geschäftsführer der ▶