Das Dilemma der nachhaltigen Pferdekutsche
Nachhaltiges Denken und Handeln wird heute von Menschen und Unternehmen wie selbstverständlich erwartet. Doch was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff? Und wo liegen seine Schwächen?
Überschuss ernten, Substanz erhalten
Die Grundidee der Nachhaltigkeit tauchte erstmals in der deutschen Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts auf. Man solle nicht mehr Holz schlagen als nachwachse, lautete der damals neue Leitgedanke. Den Forstmeistern ging es dabei weniger um Umweltschutz. Ihr Ziel war in erster Linie der Erhalt einer wertvollen ökonomischen Ressource, die sie langfristig zu nutzen gedachten.
Die wohl bekannteste und einflussreichste Definition von Nachhaltigkeit stammt aus dem Jahr 1987: „Nachhaltige Entwicklung bedeutet die Befriedigung heutiger Bedürfnisse, ohne zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu nehmen, ihrerseits ihre Bedürfnisse zu befriedigen“, hieß es damals im „Brundtland-Bericht“ der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen.
Zwischen Öko-Romantik und Regierungspolitik
Vor allem die Umweltbewegung machte sich diesen Gedanken zu eigen: „Wir haben diese Welt von unseren Kindern nur geliehen“, lautet ihre populäre Umdeutung.
In Deutschland dient Nachhaltigkeit seit 2002 ganz offiziell als Richtlinie der Regierungspolitik. Die damals beschlossene „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ nennt als Haupttätigkeitsfelder Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt und internationale Zusammenarbeit.
Der Gedanke der Nachhaltigkeit wird heute von zahlreichen Unternehmen bejaht und gelebt. Der Schutz der Umwelt und der sparsame Umgang mit Ressourcen, soziale Gerechtigkeit, gute Arbeitsbedingungen und faire Verhältnisse auch bei Geschäftspartnern im Ausland gehören zu den Zielen. In Nachhaltigkeitsberichten und Social Responsibiltiy Reports legen viele Firmen umfassend Rechenschaft ab.

Nachhaltigkeit als Verkaufsargument
Auch die Investmentbranche hat das Thema Nachhaltigkeit schon seit Längerem entdeckt. Ökologische und ethische Aspekte prägen heute zahlreiche Anlageprodukte und Dienstleistungen. Die Immobilienwirtschaft, deren Gebäude zu den größten Verbrauchern von Energie und Emittenten von Treibhausgasen gehören, sieht sich hier im besonderen Maße in der Verantwortung.
Das Nachhaltigkeits-Dilemma: Was hätte das 19. Jahrhundert uns empfohlen?
Allerdings gibt es auch Kritik am Konzept der Nachhaltigkeit und ihrer Gleichsetzung mit verantwortlichem Handeln. Hubert Markl, ehemaliger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, bemängelt die Schwammigkeit des Begriffs. Da unklar sei, was dieser eigentlich bedeute, „können sich von Wirtschaft und Wissenschaft bis zur Politik und Kirchentagen alle darauf einigen.“ Als „anmaßend“ empfindet es der Ökonom Oliver Marc Hartwich, im „angeblichen Interesse künftiger Generationen“ Forderungen zu erheben. Und der Umweltpublizist Dirk Maxeiner fragt, was wohl ein Wissenschaftler Ende des 19. Jahrhunderts unserer heutigen Generation empfohlen hätte: „Nachhaltige Pferdekutschen? Petroleumlampen? Raddampfer?“
Abseits aller theoretischen Begriffserörterungen bleibt allerdings der praktische Nutzen nachhaltigen Handelns weitgehend unbestritten: Der sparsame Einsatz von nur begrenzt vorhandenen Rohstoffen und Gütern, die Vermeidung von umweltschädlichen Emissionen sowie die Schaffung eines gesunden und komfortablen Arbeits- und Wohnumfelds leuchten als sinnvolle Maßnahmen unmittelbar ein. Langfristige ökologische, ökonomische und soziale Vorteile sind in dieser Kombination mit einer nachhaltigen Strategie noch am ehesten zu erreichen.
Relevante Themen


