Klimaschutz als Innovationstreiber
Deutschlands Klimaschutzziele für 2050 sind ambitioniert. Ein nahezu CO₂-neutraler Gebäudebestand wird angestrebt. Innovative Lösungen helfen Immobilienhaltern, die Klimarisiken von Gebäuden zu erkennen und aktiv zu managen.
Im Mittelpunkt des deutschen Klimaplans steht neben den Bereichen Energie und Verkehr vor allem der Gebäudesektor, der für etwa 30 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen des Landes verantwortlich ist. Bis 2050 wird ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand angestrebt – bis dahin sollen die Emissionen um 80 bis 95 Prozent reduziert und gleichzeitig der End-Energiebedarf um 50 Prozent gesenkt werden, wobei die benötigte Energie dann nur noch aus regenerativen Energien kommen sollte. Gleichzeitig sollen Effizienzpotenziale gehoben und erneuerbare Energien gegenüber fossilen Brennstoffen attraktiver gemacht werden.
Die Zeit für Lösungen drängt
Die Zeit, entsprechende Instrumente und Lösungen zu finden, drängt. Längst beschäftigen sich weltweit auch Banken und Versicherungen mit klimawandelbezogenen Risiken. Deutlich an Prominenz gewonnen hat das Thema durch eine Rede von Mark Carney, dem Gouverneur der britischen Zentralbank und Vorsitzenden des Financial Stability Board, im September 2015 beim Versicherungskonzern Lloyd’s. Darin bezieht er sich auf Analysen der britischen Aufsichtsbehörde Prudential Regulation Authority, die in ihrem „Climate Change Adaptation Report“ die Frage aufwirft, ob Klimarisiken die Finanzmärkte ins Wanken bringen können, also systematisch destabilisierend wirken. Carneys Antwort ist eindeutig: Ja.
Denn sowohl politische Maßnahmen zur CO₂-Reduktion als auch juristische Auseinandersetzungen mit vom Klimawandel Betroffenen und durch Extremwetterereignisse verursachte Schäden können seiner Ansicht nach eine Neubewertung von Unternehmen und Investments notwendig machen. Mittlerweile beziehen auch Immobilieninvestoren Klimarisiken in ihre Investitionsentscheidungen ein.

Klimarisiken im Portfolio bewerten
Union Investment setzt ein gemeinsam mit der DENEFF entwickeltes Tool zur Klimarisikenbewertung ihres Immobilienportfolios ein. In einer Pilotphase wurden rund 170 Gebäude auf ihre Klimakonformität bis 2050 überprüft. Zehn Objekte sind herausgefiltert worden, bei denen ein Energiemonitoring durchgeführt wird, um Einsparpotenziale zu identifizieren. Die Ausstattung der Gebäude mit den dazu notwendigen Zählern und die anschließende Datenkontrolle erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Property-Manager Apleona.
Je nach Objektgröße und vorhandener Gebäudetechnik bewegen sich die Kosten für die Erstinstallation zwischen 30.000 und 100.000 Euro; die später jährlich anfallenden Betriebskosten liegen bei etwa 10.000 Euro. „In Anbetracht der zu erzielenden Energieeinsparungen von bis zu 25 Prozent pro Gebäude und Jahr und der gleichzeitig gegebenen Möglichkeit, die CO₂-Emissionen effektiv zu reduzieren, werden sich diese Investitionen zukünftig auszahlen“, ist Jan von Mallinckrodt, Leiter Nachhaltigkeit bei der Union Investment Real Estate GmbH, überzeugt.
Darüber hinaus hat der Einsatz der Stranding-Asset-Risikoanalyse den Blick für die technische Gebäudeausrüstung (TGA) geschärft. Jedes Objekt, das Union Investment in Deutschland erwirbt, durchläuft neben der standardmäßigen Due Diligence jetzt auch einen speziellen TGA-Check, der das verbaute Gebäudeautomationssystem auf seine Zukunftsfähigkeit überprüft. Kommt die Immobilie für einen Ankauf in Betracht, bezüglich der TGA besteht jedoch Modernisierungsbedarf, wird hierfür gleich ein Budget einkalkuliert. Auch die Gebäudetechnik von Bestandsobjekten in Deutschland wird auf diese Weise kontrolliert. Mittelfristig soll das gesamte Portfolio gebäudetechnisch auf einem modernen Stand sein.

Moderne Gebäudeautomation im Einsatz
Wie Gebäude in Zukunft funktionieren könnten, zeigt der Gebäudetechnikausrüster Phoenix Contact an seinem Standort in Bad Pyrmont. Auf einer Produktions-, Entwicklungs- und Bürofläche von 71.000 Quadratmetern ist dort moderne Gebäudeautomation, kurz Building-IoT, schon heute erlebbar. Eine ganzheitliche Energieversorgung macht im Ergebnis eine eigene Wärme- und Kälteversorgung unnötig. Das ermöglicht eine intelligente Vernetzung aller Gebäude mit verschiedenen Energieerzeugern und dem Blockheizkraftwerk. Alle Daten werden in Echtzeit zentral in dem IoT-basierten Gebäudemanagementsystem mit der Bezeichnung Emalytics gesammelt und verarbeitet. „Auch Altbauten schaffen damit den Sprung ins Smart-Building-Zeitalter“, versichert Frank Schröder, Leiter Facility Management bei Phoenix Contact.
Nachhaltig und schlau zugleich
Für OVG-Geschäftsführer Martin Rodeck sind Smart Buildings längst Realität. Mit dem seit Juli 2017 im Bau befindlichen Gebäude Grand Central Berlin realisiert OVG Real Estate bereits die dritte digital vernetzte Büroimmobilie, bei der smarte Technologien für eine klima- und nutzerfreundliche Funktionsweise zum Einsatz kommen. Das erste Objekt dieser Art ist das inzwischen international bekannte The Edge in Amsterdam; ein weiteres soll unter dem Namen The Pier in der Hamburger Hafencity entstehen. Eine andere Intelligenzbestie aus Beton realisiert CA Immo für einen institutionellen Investor: Das Solitärgebäude mit dem Namen Cube Berlin entsteht direkt neben dem Berliner Hauptbahnhof.
„Das Schlüsselwort ist Effizienz“, sagt Rodeck. „Für Anleger kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, den man gar nicht oft genug betonen kann: die Zukunftsfähigkeit. Die Digitalisierung schafft in rasanter Geschwindigkeit neue Ansprüche, und jeder Anleger hat ein Interesse daran, dass seine Immobilie auch in ein paar Jahren noch den veränderten Anforderungen des Marktes standhalten kann.“ Klimarisiken können also auch als große Chance angesehen werden, Innovationen in der Immobilienwirtschaft voranzutreiben.
Ein Beitrag von:
Dagmar Hotze, Journalistin spezialisiert auf immobilienwirtschaftliche Zukunftsthemen
In voller Länge ist der Beitrag im Immobilienmagazin RAUM&mehr (Ausgabe 1/2018) erschienen. Diesen und weitere Beiträge finden Sie unter www.raum-und-mehr.com
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